klage der aranea #lyrimo No. 28

da sitze ich und ruhe aus
sehr lang ist schon der faden
bin ich mit mühevoller pflicht
ein leben lang beladen

zuallererst suche ich aus
wohin mein werk ich baue
dann hänge ich den rahmen auf
so fest, dass ich ihm traue

dann lauf ich auf und wieder ab
lass einen stern entstehen
der breitet seine strahlen aus
ganz zart (fast nicht zu sehen)

und wenn der rahmen ausgefüllt
dann laufe ich in runden
verstrebe all die strahlen zart
das dauert viele stunden

wie oft fange von vorn ich an
weil jemand meint, es wäre
mein kleines netzwerk ihm im weg
nicht schlimm, dass ers zerstöre

mich kostets kraft. und dabei bin
ich darauf angewiesen
besorge meine mahlzeit mir
mit netzen wie mit diesem

nun sitz ich hier und ruhe aus
in meines netzes mitte
und habe hunger, bin erschöpft
und hab nur eine bitte:

wenn ihr draußen meiner gewahr
und von dem netz berühret
so schaut euch seine schönheit an
zum schwärmen sie verführet

besonders wenn der morgentau
fällt auf die zarten stränge
und hängt als perlen schimmernd hell
vermehrt des lichts gepränge

dann lasst es hängen, denn ich muss
selbst spinnen mir die seide
muss ich es ständig neu mir baun
wisst, dass ich hunger leide

impuls: „netzwerken“

alle texte lest ihr hier: lyrimo november 2020

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