ent|täuscht

sie saßen bequem in den sesseln
und verstanden die welt nicht mehr
sie hielten sich fest an den händen
und schwiegen doch ratlos einher

sie dachten daran, wie sie damals
sich verliebten mit nur einem blick
nur sich brauchten und niemals mehr andre
und für ewig gemacht schien das glück

doch nun können sie sich nicht erklären
was da schief lief im laufe der zeit
dort inmitten zerborstener träume
mrken sie wie die einsamkeit schreit

in dem wunsch, alles solle so bleiben
froren sie in der illusion ein
die fassade bekam erste risse
und die wirklichkeit tröpfelte ein

und da saßen sie nun in den sesseln
sie erkannten den andern nur schwer
als ihr händedruck langsam sich löste
vermissten sie sich schon nicht mehr

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schaukel

beide hände
umfäusteln fest
die seile die
das brett halten
das als sitz dient
einmal angetippt
die beine in
den flug stemmen
und den rumpf ins
gegenteil wieder
und wieder und wieder
beherzt weiter schwingen
hohe gewinnen und
das kribbeln fühlen
an dem punkt da alles
still steht einen moment
um dann ins den lauf
umzukehren wieder und
wieder zu steigen
bis man meint
nun flöge man sebst
.
ob ich es heute noch
genauso empfände?

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tagtraum

ich schneide
im schlanken leib
durch den schilfsaum
still
nur das leise ploppen
der abfallenden tropfen
von den paddeln
und ab und an
ein vogelruf

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zeit wars ja

endlich kam
ein kleiner regen
wusch den staub
von all dem harten
versteinerten sein
beugte zweige unter
flüchtigen perlen
tropfenden glases
weichte die gründe
unter meinen schritten
und holte den sang
des amselhahns vom
dachfirst nah an
mein ohr

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dreiunddreißig jahre

meinem sohn

nein
da war
kein plan
da war erst
auch zweifel
war ich meiner
doch selbst
nicht sicher
und es war
innehalten
hinein horchen
kennenlernen
und wachsen
gemeinsam
als du dann
deinen eigenen
atem schöpftest
blieb ich die
ich war und
wurde doch mehr
(vorher wusste
ich nichts
von liebe)
wir wachsen
aneinander
wir sind
noch immer auf
dem weg

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