episode #lyrimo No. 14

unter diesem
grauen himmel
sitzt sie still
bewegungslos
starrt sie weit
ganz weit ins
irgendwo dorthin
sie ihr ziel
erinnert
sitzt still
und wartet auf
den bus nach hause
wartet still
nestelt am
schwarzen kleid
unter diesem
grauen himmel
wartet sie
still schauend
nach dem bus
der doch nicht
kommen wird
er fährt nicht mehr
seit zwanzig jahren
heute fährt er nicht
es ist sonntag
das wissen sie doch
sagt er als er
ihre hand sanft greift
kommen sie es ist zeit
sagt er und still
gehen sie zurück
ins heim

impuls: „haltestelle“

alle texte lest ihr hier: haltestelle – innehalten im mai

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oberflächen #lyrimo No. 13

hinter
der kalten glätte
spielräume für
trugbilder
der blick erfasst
fremde fassade
schemen von
bekanntem und
vertrauter kontur
beinahe scheint
leben möglich
wie du es zu
kennen vermeinst
in seiner blöße
dämonen die
vielleicht gar
nicht sind
oder aber
beim blick
das glas auch
dein gesicht
was wirst du
erkennen?

impuls: „medientransfer“

medium © by ulli gau café weltenall

alle texte lest ihr hier: medientransfer – innehalten im mai

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mairegen

schwer
hängt der flieder
seinen duft auf
den weg
tollkühne stare
tackern im gras
gummistiefel
entführen kinderfüße
in die meere
des sandwegs
ich gehe sehe
und lächle hinter
perlenschnüren
und diese lust
zu singen

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nur die ruhe #lyrimo No. 12

du kannst sie nicht beschleunigen
langsam findet sie sich ein
im gehetze deines alltags
du kannst sie nicht beschleunigen
sie tröpfelt sanft ins innehalten
findet den weg selten allein
du kannst sie nicht beschleunigen
langsam findet sie sich ein

impuls: „die schnelligkeit der ruhe“

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kintsugi* #lyrimo No. 11

ich liebe meine alten sachen
die lange zeit schon im gebrauch
kann ihre nützlichkeit sehr schätzen
und ihre nutzungsspuren auch

manches von dem was uns so eigen
scheint unersetzbar schier zu sein
so wiegt es dann so sehr viel schwerer
wenn sie durch den gebrauch entzwein

wirf es doch weg! wird mancher sagen
es tat längst seine schuldigkeit
doch wenn es sehr ans herz gewachsen
hätt mich bald solche tat gereut

und ich greif die einzelteile
setz sie zusammen stück um stück
gebe dem was scheinbar unnütz
seine alte form zurück

seine risse bleiben sichtbar
zieh sie nach mit goldnem glanz
erweise so besondre ehre
gebe zurück die eleganz

hat etwas die funktion verloren
ist es doch von wert für mich
und wenn ich selbst einst nicht mehr alles
ganz richtig kann, dann wünsche ich

dass man sich noch daran erinnert
was ich in meiner welt bewegt
man teilhat an meiner erfahrung
die durch mein leben ward geprägt

*kintsugi

impuls: „innehalten/neu gestalten“

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